Moin Moin,
auch dieses Jahr konnten ca. 20 junge Mitarbeiter des ThyssenKrupp Konzerns an der Studien- und Gedenkfahrt nach Auschwitz und Krakau teilnehmen. Ich war einer von zwei Rasselsteinern, die daran teilnahmen.
Der Studienfahrt vorausgegangen war ein Vorbereitungs- und Kennenlernwochenende in einer Jugendherberge. Da die Teilnehmer aus ganz Deutschland kamen, konnten wir uns in diesem Rahmen somit erst mal beschnuppern! Darüber hinaus konnten und mussten wir, wie wir feststellten, unser Hintergrundwissen über das Dritte Reich und den Holocaust auffrischen. Uns betreute während der ganzen Fahrt ein Historiker, der uns mehr über die geschichtlichen Hintergründe informiert hat, als die Lehrer in der gesamten Schulzeit. Das Wochenende war daher sehr informativ.
Und schon nach dem Vorbereitungswochenende war mir klar, dass die Studienfahrt ein unvergessliches und prägendes Erlebnis sein wird.
Schließlich starteten wir unsere Reise nach Polen am Sonntag den 4. November. Wir trafen uns alle am Düsseldorfer Flughafen und waren gespannt was uns erwartet. Nach gut 1,5 Stunden Flug landeten wir in Krakau, von wo aus wir zu der internationalen Jugendbegegnungsstätte in Oswiecim (Auschwitz) fuhren. Dies war unsere Unterkunft für die nächsten 3,5 Tage.
Am nächsten Tag ging es dann richtig los. Zunächst besuchten wir die Gedenkstätte Auschwitz I (Stammlager). Dort führte uns ein Guide durch das kasernenähnliche Gelände. Uns war allen nicht bewusst, dass das Gelände so zentral in der Stadt Oswiecim liegt, doch für die Bewohner der Stadt ist das Stammlager einfach nur Alltag und sie möchten auch ausdrücklich nicht nur mit dem KL in Verbindung gebracht werden. KL steht für Konzentrationslager, wie wir gelernt haben ist die Bezeichnung KZ falsch. Oswiecim ist eine wunderschöne Stadt mit einer sehr interessanten Geschichte, welche schon immer sehr mit der jüdischen Gemeinde verknüpft war. Heute hingegen lebt nicht ein Jude mehr in Oswiecim. Wir besuchten mehrere Gebäude in denen Ausstellungen über das Leben im Stammlager und im Vernichtungslager KL Auschwitz II (Birkenau) gezeigt wurden. Drei Bilder bzw. Gebäude werden mir besonders in Erinnerung bleiben: Einmal die vielen Vitrinen oder na ja schon fast Räume, die mit dem Hab und Gut der Häftlinge bestückt waren – dort lagen Berge von Schuhen, Rasierpinseln und Töpfe. Doch ein Raum hat uns alle restlos schockiert. Dort war ein Berg aus menschlichem Haar aufgetürmt, in Zahlen 7 Tonnen. Man kann sich nicht vorstellen, wie riesig dieser Haufen ist.
Anschließend besichtigten wir den Innenhof mit der berüchtigten schwarzen Wand, ein sehr trauriger Ort, weil dort so viele Menschen hingerichtet worden sind. Vor dieser Wand lagen viele Kränze und Kerzen. Wir blieben kurz stehen und hielten inne. Es regnete den ganzen Tag und wir alle versuchten uns irgendwie in die Menschen zu versetzen, die in diesem Hof standen und erschossen wurden.
Später waren wir dann in der einzigen noch erhaltenen Gaskammer bzw. Krematorium. Das Erschreckende war, dass wir erst gar nicht gemerkt haben, dass wir in einer Gaskammer stehen. Dort waren einfach viel zu viele Menschen, die mit ihren Kameras eben ein Foto machten und dann wieder weiterzogen. Doch in einem Moment der Ruhe habe ich diesen nassen, schmutzigen und dunklen Raum nochmal nur für mich betrachtet. Es ist mir wie ein Schauer den Rücken runter gelaufen als ich die Riefen, die von menschlichen Fingernägeln stammen, gesehen hab. Einfach nur unglaublich erschreckend was Menschen anderen Menschen antun können.
Nach einem anstrengenden Tag gingen wir alle leicht bedrückt in die Jugendherberge zurück. Nach dem polnischen Abendessen (das polnische Essen ist sehr lecker!) lockerte sich die Stimmung wieder und wir alle verbrachten den Abend zusammen. Am dritten Tag (mal wieder im Regen) besuchten wir die Gedenkstätte Birkenau (Auschwitz II).
Dort erschlug mich als erstes diese Größe. Dieses Lager ist so groß, man kann es kaum ganz überblicken. Ein Guide führte uns wieder über das Gelände, vorbei an der neuen Rampe, den einzelnen „Barackenparzellen“ und den zerstörten Krematorien. Es war erschreckend zu sehen und zu hören, dass die Ermordung von so vielen Menschen fast „perfektioniert“ worden war. Und jeder Beweis des menschlichen Lebens sollte vernichtet werden, wenn möglich noch mit Gewinn!
Abends trafen wir uns immer in einem abgedunkelten Raum um den Tag zu reflektieren, dort konnte jeder seine Erfahrungen und Gefühle wertfrei äußern. Ich denke dieser Teil des Tages hat uns alle geholfen die Erlebnisse zu verarbeiten! Am vierten Tag suchten wir noch einmal das Stammlager auf, um uns zu verabschieden. Im Vorfeld einigten wir uns auf einen Ort, an den wir einen Gedenkkranz niederlegten (die Gaskammer).
Dann am fünften Tag ging es los nach Krakau und Leute – vorab kann ich euch schon einmal verraten, dass Krakau eine wunderschöne Stadt ist, die tagsüber kulturell viel zu bieten hat – sich aber auch nachts nicht „verstecken“ muss! 😉
Wir besuchten viele Sehenswürdigkeiten, darunter den Wawel, den ehemaligen Sitz und heutige Ruhestätte der polnischen Könige, den wunderschönen Marktplatz (an dem am Tag aber auch nachts viel los ist) mit der großen Tuchhalle, die Marienkirche mit dem großen Altar, die Fabrik von Oskar Schindler (und einige Drehorte des Films Schindlers Liste) und vieles mehr.
Natürlich haben wir auch das jüdische Viertel besucht, wo wir mittags sehr gut aßen und das mal anders – nämlich jüdisch!
Das jüdische Essen ist sehr lecker und wirklich zu empfehlen. Doch wie unser Guide uns mitteilte, verwechseln viele Touristen das jüdische mit dem koscherem Essen, denn das eine muss nicht unbedingt was mit dem anderen zu tun haben! Dort im Viertel besuchten wir auch eine Synagoge, die zwar nicht mehr aktiv aber dennoch sehr sehenswert und interessant war.
…
Ich könnte euch noch so viel mehr erzählen, doch das würde denke ich den Rahmen sprengen!
Mein Fazit nach dieser Reise ist:
Ich habe viele neue sehr interessante Menschen kennengelernt, ich habe ein neues Land für mich erschlossen, welches ich bestimmt nicht zum letzten Mal bereist habe. Weiterhin konnte ich feststellen, dass sich die üblichen Vorurteile gegenüber Polen nun wirklich nicht erfüllen, sondern eher negiert haben. Und ich habe viele neue Eindrücke und Fakten über unsere Geschichte und die damit verbundene Verantwortung gewonnen, ganz nach dem „Motto“ der Studienfahrt:
Gegen das Vergessen!
Zum Ende möchte ich mich nochmal, falls sie es lesen, bei den Betreuern und natürlich bei der einmaligen Gruppe bedanken.
Und als Empfehlung für euch Leser:
Wenn euch die Chance geboten wird an einer solchen Studienfahrt teilzunehmen, dann ergreift diese, denn das ist eine einmalige Erfahrung, die euch keiner mehr nehmen kann!
Euer Julian